„Der unendliche Gipfel“ – ein tolles Buch über Bergsteigen und Freundschaft

Rezensionen, Tipps und Inspiration
Cover des Buchs Der unendliche Gipfel.
Der unendliche Gipfel: Der preisgekrönte niederländische Autor Toine Heijmans hat einen außergewöhnlichen Roman über das Bergsteigen, das Altern und Freundschaft geschrieben.

Kann ein Niederländer ein Bergbuch schreiben? Aber wie! Toine Heijmans hat mit „Der uendliche Gipfel“ einen außergewöhnlichen Roman über das Bergsteigen, das Altern und Freundschaft geschrieben. Er wurde dafür schon mit Preisen ausgezeichnet. Ich habe es auch regelrecht verschlungen. Hier ist meine Rezension:

Walter Welzenbach ist der erste von vielen, der an diesem Tag auf dem Gipfel des Cho Oyu angekommen ist. 8188 Meter, eine ungeheure und lebensgefährliche Schinderei – und dennoch, Euphorie kommt bei ihm nicht auf. „Hier oben zu sein hat keine Bedeutung – das zu begreifen ist das Schwierigste“. Der niederländische Autor Toine Heijmans beginnt seinen neuen Roman „Der unendliche Gipfel“ mit dem Ende einer Lebensgeschichte und erzählt im Rückblick von einem alternden Mann mit großer Liebe für die Berge und einer verlorenen Freundschaft.

Bigwall- Feeling unter Autobahnbrücken

Es ist Jahrzehnte her, dass sich Mathe-Student Walter und der unkonventionelle Lenny in einer Stadt in den Niederlanden an einem Brückenpfeiler kennenlernen. Mit Seil und selbst gebauten Sicherungen erklimmen sie urbanen Bauwerke, biwakieren wie Big-Wall-Bezwinger in Kalifornien unter Autobahnbrücken und verschlingen Bücher über die Helden des Bergsteigens.

Kletterkarriere in Chamonix

Walter und Lenny brennen fürs Bergsteigen. Klar, dass es die beiden jungen, abenteuerlustigen Männer nicht im Flachland hält: Sie ziehen nach Chamonix und starten in der Schweiz eine Kletterkarriere. Sie sind im alpinen Gelände unerfahren, beißen sich aber mit gegenseitiger Unterstützung und gegenseitigem Vertrauen durch die Widrigkeiten der alpinen Bergwelt.

Die fast schon symbiotische Verbindung bricht ab, als Lenny eine Familie gründet, Karriere macht und zurück in die Heimat zieht. Walter bleibt als einsamer Wolf und Solokletterer zurück. Das Ende dieser intensiven Freundschaft zehrt bis zuletzt an ihm. Lenny ist auf allen Touren weiter als imaginärer Begleiter dabei – auch auf dem letzten Gipfel würde Walter mit niemandem anderes lieber stehen.

In der „Todeszone“

Mit atemberaubend schönen poetischen Beschreibungen der Landschaft im Himalaya und einer intensiven Seelenschau des alternden Bergsteigers, der sich am Ende mit jeder Menge Medikamenten für seine Tour fitspritzen muss, zieht Heijmans seine Leser schon von den ersten Seiten an mit ins Geschehen an den höchsten Bergen der Welt.

Schonungslos beschreibt er, wie sich körperliche Beschwerden in der „Todeszone“ auswirken, wie eisig der Wind sein kann und ätzend andere Bergaspiranten. Man sitzt mit im sturmgepeitschten Zelt und erlebt die Atemnot, Ängste und Schmerzen Walters hautnah mit.

Kommerzialisierung des Bergsteigens

Der Roman bleibt aber nicht nur ein fesselnder Erlebnisbericht: Dem Autor gelingt es, die Kommerzialisierung des Wettlaufs auf die höchsten Gipfel der Erde kritisch unter die Lupe zu nehmen: Die Rahmenhandlung erzählt unter anderem auch von ehrgeizigen Menschen, die an Leichen vorbeiwandern und asiatischen Firmengruppen, die eine Achttausender-Besteigung zum Teambuilding-Event stilisieren. Den Weg frei machen in all diesen Fällen einheimische Sherpas, die unter Lebensgefahr Fixseile legen, Camps aufbauen, Müll entsorgen und Verletzte bergen.

Messener und Rutkiewicz

Mit diesen Auswüchsen haben die Pionierinnen und Pioniere des Höhenbergsteigens, über die Heimans gut recherchiert in historischen Einschüben berichtet, absolut nichts am Hut: So berichtet der Autor zum Beispiel über das Schicksal von Günter Messner, der bei einer Tour mit seinem berühmten Bruder Reinhold sein Leben verlor. Aber auch der polnischen Bergsteiger-Ikone Wanda Rutkiewicz, die seit 1992 im Himalaya verschollen ist, widmet er ein Kapitel. Es ist sicher kein Zufall, dass der Name des Protagonisten an den deutschen Bergsteiger Wilhelm Welzenbach erinnert, der 1934 bei einer Expedition zum 8125 Meter hohen Nanga-Parbat verunglückte.

Kein Bergsteigerepos

„Der unendliche Gipfel“ ist kein Bergsteiger-Epos, auch kein reiner Abenteuerroman. Es ist vielmehr ein tiefgründiges, vielschichtiges anrührendes Buch über den Wert von Freundschaft und Fragen rund um ausufernden Tourismus und den Wettlauf um Rekorde.

Für das großartige 352-Seiten dicke Werk, das im März 2023 in deutscher Übersetzung im mairisch Verlag erschienen ist, wurde Heijmans bereits mit dem Preis des niederländischen Buchhandels ausgezeichnet.

Interessierst du dich für weitere tolle Bücher, dann kann ich dir dieses Buch über die fränksiche Kletterlegende Kurt Albert emfpehlen!

Kurt Albert: „Klettern ist eine Lebenseinstellung“

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