Den Rucksack packen, die Stiefel schnüren und den Alltag im Tal zurücklassen: Wenn ich ein paar Tage am Stück unterwegs bin, kann ich so richtig gut abschalten. Besonders gefallen haben mir einige Etappen des Adlerwegs in Osttirol: Wunderschöne Natur im Nationalpark Hohe Tauern, hohe Gipfel und urige sowie moderne Hütten.
„Habt ihr WLAN?“, fragt eine Frau, die gerade auf der Sudetendeutschen Hütte angekommen ist. „Wir sind froh, wenn wir hier oben fließendes Wasser und Strom haben“, antwortet die junge Mitarbeiterin lachend.
Facebook braucht hier oben niemand!
Mitarbeiterin der Sudetendeutschen Hütte
Das Steinhaus aus den 1920er Jahren auf einer Höhe von 2650 Metern bietet alles, was Bergsteiger brauchen: Essen und Trinken, Übernachtungsmöglichkeiten, einen fantastischen Blick von der Terrasse, Liegestühle am See und — falls das Wetter mal schlecht werden sollte — einen eingeheizten Kachelofen in der Stube. „Facebook braucht hier oben eigentlich niemand“, findet die Hüttenmitarbeiterin und bewundert mit den Gästen die umliegenden Gipfel der Granatspitzgruppe, Steinböcke und einen Adler, der lautlos seine Runden zieht.
Wie die Schwingen dieses Raubvogels breitet sich der Adlerweg über ganz Österreich aus. In Osttirol liegen neun der 33 Etappen dieses Fernwanderwegs. Das Wetter ist hier oft besser und die Landschaft lieblicher als nördlich des Alpenhauptkammes.
Adlerweg: Von Hütte zu Hütte
Wanderer mit etwas Bergerfahrung können die zwischen vier und sechs Stunden langen Touren des Adlerwegs von Hütte zu Hütte alleine bewältigen. Nur wer auf die vergletscherten Spitzen von Großvenediger und Großglockner möchte, sollte sich einen Bergführer nehmen. Für Familien mit größeren Kindern ist der Weg ebenfalls geeignet — Gebirgsbäche, Bergseen und 10.000 Tierarten, darunter Steinböcke, Murmeltiere, Adler und Bartgeier, bieten viel Abwechslung.
Langer Aufstieg von Matrei
Zur Sudetendeutschen Hütte steigt man etwa vier Stunden von Matrei in Osttirol auf. Etwa 1200 Höhenmeter sind zu überwinden. Es geht erst über idyllischen Wiesenwege bis zur Steiner Alm. Dann wird es steiler und steiniger.
Extratour auf den Muntanitz
Von der Hütte aus bin ich am nächsten Morgen auf den Großem Muntanitz (3232 Meter) gestiegen. Es gilt etwa 700 Höhenmeter und einige mit stahlseilversicherte Kletterpassagen zu überwinden. Die Extratour lohnt aber: Die Ausblicke auf die vergletscherten Spitzen von Venediger- und Großglocknergruppe sind echt atemberaubend schön!
Wenn man nicht noch eine Nacht auf der Hütte bleiben möchte, dann darf man nicht trödeln: Über den Gradötz-Sattel, auf 2850 Metern, geht es hinunter Richtung Kalser Tauernhaus auf 1755 Metern. Achtung: Auch im Sommer liegt hier oft noch Schnee. Am höchsten Punkt eröffnet sich ein großartiger Ausblick auf den Großglockner.
Von nun an geht´s bergab!
Von nun an führt der Weg bergab: Zunächst über Schneefelder, dann durch Hänge, auf denen Alpenrosen und Enziane um die Wette blühen, schlängelt sich der Pfad zum Kalser Tauernhaus und ins idyllische Dorfertal.
Die gemütliche Hütte wäre — ebenso wie das gesamte Tal — fast einem gigantischen Stauseeprojekt zum Opfer gefallen. Das Vorhaben scheiterte an den Protesten der Bevölkerung. Heute gehören Hütte und Tal zum Nationalpark Hohe Tauern, dem größten Schutzgebiet der Alpen. Unbedingt solltet ihr den leckeren Kaiserschmarrn probieren. Dessen Geheimnis ist die Zubereitung in einer schweren gusseisernen Pfanne, sagt die Hüttenwirtin.
Am nächsten Tag erwartet die Adlerweg-Wanderer eine lange und anstrengende Etappe zur Stüdlhütte. Entlang bizarrer Felsformationen aus steil aufgestelltem Glimmerschiefer und durch das unbewohnte und urweltlich wirkende Teischnitztal führt der Weg. Unterwegs bieten sich immer wieder atemberaubende Ausblicke auf den Großglockner, mit 3798 Metern die höchste Erhebung Österreichs.
Den berühmten Berg wollen viele sehen — und auch erklimmen: Auf der modernen Stüdlhütte herrscht ein babylonischer Sprachwirrwarr. Bergsteiger aus aller Welt sortieren Gurte, Steigeisen und Karabiner oder entspannen sich bei heißer Suppe oder kaltem Bier auf der Terrasse. Für Otto-Normalwanderer wie mich, ist an der 650 Meter höheren Erzherzog-Johann-Hütte Schluss. Selbst auf dem Normalweg sind Kletterpassagen zu bewältigen. Das würde ich nur mit einem Bergführer in Angriff nehmen. Das kostet aber zwischen 200 Euro bei drei Teilnehmerinnen und 400 Euro für eine Einzelbetreuung.
Ein wenig Wellness zum Schluss!
Mich zieht es wieder ins Tal – und zwar zum Gasthaus Lucknerhaus. Dort lege ich einen Erholungstag ein und nutze die schöne Sauna. Empfehlenswert für den Ausklang der Tour und die Regeneration sind auch die Pension Fritz und das Hotel Taurerwirt mit Wellnessbereich.
Wichtig zu wissen:
Anreise: Mit dem Auto von Nürnberg in ca. 5 Stunden/360 Kilometer über Kufstein, Kitzbühl, Pass Thurn und den Felbertauerntunnel. Per Bahn bis Kitzbühl und weiter mit dem Bus nach Lienz.
Schwierigkeit: Man ist in hochalpinem Gelände unterwegs, man muss auch im Sommer mit Schneefeldern rechnen und es sind einige ausgesetzte Stellen zu überwinden, die Schwindelfeiheit erfordern. Dennoch sind die Etappen mit vier bis sechs Stunden nicht zu lange.
Mehrere Tage auf Tour? So packst du deinen Rucksack!
Weitere Informationen:
Die Tirol-Werbung bietet ausführliches Material zum Adlerweg
Karten: zum Beispiel Tabacco-Karte 076, Glocknergruppe, Matrei, Kals, Heiligenblut 1:25.000
Literatur: Das wilde Herz der Alpen: Die Hohen Tauern, Rother Wanderführer Adlerweg
Wer den Großglockner mit einem Führer besteigen möchte, findet in Kals ortskundige Bergführer.