Ab nach Graubünden: Prättigauer Höhenweg

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Wunderschön und aussichtsreich: Der Weg aufs Jägglischhorn.

Der Prättigauer Höhenweg im schweizerischen Graubünden ist ein Weitwanderklassiker. Zurecht, denn für mich ist es eine schönsten Mehrtagestouren in den Ostalpen. Mit etwa 50 Kilometern und nur 2000 Aufstiegsmetern ist sie auch für weniger Geübte machbar. Ich war vier Tage lang von Klosters nach Malans bei Landquart unterwegs.

Es gemächlich angehen zu lassen, ist manchmal der beste Weg: Nach einer ziemlich langen Bahnfahrt von Nürnberg nach Klosters gönne ich mir noch eine Nacht in dem hübschen graubündener Walserort und stimme mich mit einem Museumsbesuch auf die kommenden Tage ein. Und auch am nächsten morgen lasse ich mich die ersten Höhenmeter von der Madrisabahn auf die Saaser Alp hochschaukeln.

Erfrischung gefällig? Auf einer Alm gibt es einen Selbstbedienungskiosk.

Von der Bergstation geht es erst gemütlich durch ein Almgelände mit Selbstbedienungskiosk an der Almhütte. Etwas steiler, aber unschwierig führt ein Wiesenpfad aufs Jägglischhorn (2290 Meter).

Im Norden sehen wir den Rätikon mit der Sulzfluh, Drusenfluh und Schesaplana. Auf der anderen Seite die Fideriser Heuberge, weiter hinten Gotschna und Weissfluhjoch.

Marc Bless, Prättigau-Kenner.

Der Rundumblick von dem grasigen Gipfel ist überwältigend: „Im Norden sehen wir den Rätikon mit der Sulzfluh, Drusenfluh und Schesaplana. Auf der anderen Seite die Fideriser Heuberge, weiter hinten Gotschna und Weissfluhjoch„, erklärt Marc Bless. Er stammt aus der Region, arbeitet für den Tourismusverband Prättigau und kennt den Höhenweg seit vielen Jahren. Er sei die Perle der zahlreichen Bündener Fernwanderwege.

Das ist Marc, er kennt den Weg wie seine Westentasche und braucht keine Markierungen.

Das Besondere an der rund 55 Kilometer lange Route: Wir erblicken eine immer neue herrliche Weite. Gestört werden wir bei der kontemplativen Landschaftsbetrachtung höchstens von einer hungrigen Dohle oder einem pfeifenden Murmeltier: „Der Weg ist sicherlich nicht überlaufen. Hier kann man entschleunigen“, sagt Marc.

Mit dem Trottinett ins Tal

Nach der Gipfelrast und einem knapp einstündigen Abstieg durch blühende Bergwiesen erwartet Marc und mich noch ein Kontrastprogramm: Be- statt Entschleunigung steht auf dem Programm. Statt noch eine weitere Stunde bergab zu laufen, fahren wir mit Trottinetts (geländetauglichen Tretrollern) rasant ins Tal. Die flotte Fahrt ist ein Riesenspaß und das Etappenziel St. Antönien eigentlich viel zu schnell erreicht.

Das setzt Glückshormone frei: Eine rasante Abfahrt mit dem Trottinett.

Dafür reicht die Zeit nun für einen Rundgang in dem kleinen Walserort, der auf knapp 1400 Meter liegt. Ab dem Spätmittelalter besiedelten Menschen aus dem Oberwallis den Alpenraum – unter anderem ließen sie sich auch im Prättigau nieder. Prachtvolle Holzhäuser zeugen in St. Antönien von der handwerklichen Geschicklichkeit der Siedler.

So sieht es in St. Antönien aus.

Wir verbringen die Nacht in einem Hotel im Ort. Wer aber Hüttenatmosphäre sucht, geht eineinhalb Stunden weiter zum urigen Berghaus Sulzfluh. Hier beleuchtet noch Petroleumlicht die urige Stube. Und es gibt es regionale Spezialitäten, etwa Chäsgetschäder, ein einfaches aber schmackhaftes Gericht aus Brot, Zwiebeln, Kräutern und ganz viel würzigem Bergkäse.

Ab der Sulzfluh werden die Wege alpiner

Das Berghaus Sulzfluh ist ein beliebter Ausgangspunkt für Kletterer und Klettersteiggeher, die an den steil aufragenden Kalkwänden des Rätikons ihre Herausforderung suchen. Von hier aus geht es auch auf die immer alpiner werdenden, aber immer noch für geübte Wanderer machbaren Streckenabschnitte des Prättigauer Höhenwegs.

Noch eine Erfrischung gefällig? Im Partnunsee kann man sogar schwimmen.

Nach einem Abstecher zum Partnunsee, in dem man im Sommer sogar baden kann, führt die Tour durch schrofferes, felsigeres Gelände zur Carschina-Hütte. Zwischen Felsenwänden übernachten wir auf 2236 Metern weit weg von der Zivilisation.

Im Banne von Drusenfluh und Kirchlispitzen

Am nächsten Morgen verteilen die Wirtsleute schon vor sieben Uhr Kaffee und Käsebrote. Heute steht eine anstrengendere Etappe auf dem Programm. Zunächst zieht sich der Weg noch relativ eben unter den gewaltigen Wänden von Drusenfluh und Kirchlispitzen entlang. Ebenfalls schon unterwegs sind schwer beladene Kletterer. Einige der schwersten Mehrseillängen-Routen Europas, etwa die von Beat Kammerlander eingerichteten Touren „WoGü“ und „Silbergeier“, sind hier zu finden.

Wenn das kein Ausblick ist: Der Lünersee liegt schon in Österreich. Das Bild wurde mit der Drohne eines Bekannten gemacht.

Viel Zeit, um die Sportler beim Klettern zu beobachten bleibt eh nicht. Erstes Foto-Ziel des Tages ist das Cavelljoch auf knapp 2200 Metern. An der Grenze zwischen Schweiz und Österreich zieht es zwar gewaltig, dafür ist die Aussicht auf den bereits in Österreich liegenden, türkis schimmernden Lünersee wunderschön. Über 250 Gipfel, die meisten über 2000 Meter hoch, rund 50 Berge die sogar über 3000 Meter hoch sind, kann man bei guter Sicht von diesem Punkt aus bewundern.

Das Tagesziel Schesaplana-Hütte liegt idyllisch in einem Almgebiet. Weidende Kühe bimmeln mit ihren Glocken, Hühner flattern durch den Garten und von der Terrasse genießt man den Abend.

Der Rest des Tages wird gemütlicher: stetig bergab am Fuß der Schesaplana entlang windet sich der Weg. Die Landschaft wird lieblicher. Das Tagesziel Schesaplana-Hütte liegt idyllisch in einem Almgebiet. Weidende Kühe bimmeln mit ihren Glocken, Hühner flattern durch den Garten und von der Terrasse genießt man den Abend.

Gian und Giachen spotten über Touristen

Der „normale“ Prättigauer Höhenweg, der auch für Familien mit größeren Kindern geeignet ist, führt am nächsten Tag ganz gemütlich zu Fuß oder mit dem Tretroller ins Tal nach Seewis. Doch Marc hat sich für mich zum Abschluss noch eine anstrengende, aber landschaftlich äußerst reizvolle Variante ausgedacht: In den noch kühlen Vormittagsstunden steigen wir zum Hochjoch auf 2358 Meter auf. Dann umwanden wir auf österreichischem Gebiet den Gipfelaufbau des Tschingels bis zum Barthümeljoch. Dort haben es sich auf einem ausgesetzten Felsen einige Steinböcke bequem gemacht, die sich von den zweibeinigen Besuchern und klickenden Fotoapparaten überhaupt nicht stören lassen. Vielleicht sind es Gian und Giachen, die über Alpinisten und Touristen spottenden Bündener Steinböcke aus den TV-Spots?

Ein typisches Walserhaus in St. Antönien.

Dann heißt es Abschied nehmen vom Hochgebirge: Über Almgebiete geht es zur Bergstation der Älplibahn. Sie besitzt nur zwei kleine Gondeln, und bevor man mit ihnen nach Malans ins Tal schwebt, sollte man auf der Terrasse die Tour unbedingt mit Bündner Nusstorte, Rivella-Limo und Prättigauer Almkäse ausklingen lassen.

Wichtig zu wissen:

Anreise: Mit dem Auto in rund fünf Stunden ab Nürnberg (450 Kilometer) oder mit der Bahn in sechseinhalb Stunden über Bregenz und Landquart nach Klosters.
Beste Reisezeit: Ende Juni bis Anfang Oktober.
Schwierigkeit: Die viertägige Tour ist mittelschwer und auch für ganz normale Wanderer sowie fitte Kinder gut geeignet. Die vorgestellte Wanderung ist insgesamt 50 Kilometer lang, insgesamt waren etwas über 2000 Höhenmeter zu erklimmen. Auf- und Abstiege erleichtert man sich mit Bergbahnen und Trottinents.
Hütten: Berghaus Sulzfluh, Carschina-Hütte, Schesaplana-Hütte
Unterkünfte im Tal und Infos zur Tour gibt es bei Prättigau-Tourismus und Graubünden Ferien
Karten: sehr genau sind die Swisstopo-Landeskarten1:25.000 (Schesaplana, Sulzfluh, Serneus), da der Weg sehr gut markiert ist, genügt eigentlich auch eine 1:50.000er Prättigau- Wanderkarte, die es von verschiedenen Anbietern gibt.
Marc hat die Tour als Track bei outdooractive.com angelegt, man kann den Track herunterladen.

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