Geht es euch auch so: Nach dem zermürbenden Dauer-Lockdown verspüre ich enorme Lust nach einem längeren Bergabenteuer. Ein sehr persönlicher Bild- und Erzählband des hessischen Fotojournalisten Steffen Hoppe hat mir mich inspiriert: Er hat sich auf eine fünfwöchige und individuell geplante Alpenüberquerung vom Königssee zum Gardasee gemacht. Was er unterwegs erlebt und welche spannenden Menschen er getroffen hat, schildert „Südwärts“.
Ein enges, überfülltes Matratzenlager, schnarchende Bettnachbarn – es war eine schlaflose Hüttennacht in der in Steffen Hoppe die Idee aufkeimte, für eine längere Zeit die Alpen zu durchwandern. Nicht die ausgetretenen Pfade der klassischen Trans-Alpin-Strecken sollten es sein, sondern eine ganz eigene Linie, die seine Traumziele zwischen Bayern und Italien verbindet.
Nach einem Winter, in dem er mit Hilfe von Karten die Route austüftelte, sich Gedanken über seine Ausrüstung und mögliche Begleiter machte, zog er im Sommer 2019 mit zwei guten Freunden los. Später löst seine erwachsene Tochter die Freunde ab. Die Route führt vom Berchtesgadener Land durch das Steinerne Meer, die Tauern, die Dolomiten, die Brenta und Judikarien immer südwärts bis an den Gardasee.
Ein Quentchen Abenteuer
Sehr mitreißend erzählt der Fotojournalist was er unterwegs erlebt hat: Ganz viel Freiheit, ein Quentchen Abenteuer, wunderschöne Natur und Begegnungen mit spannenden Menschen.
Gerade letzteres ist es, das den großformatigen 192-Seiten-Band ausmacht: Portraits von und Interviews mit „Bergmenschen“ geben dem Buch eine interessante Note. Die Protagonisten berichten ehrlich und ungeschönt über ihr Leben in den Alpen und ihre zum Teil unglaublich harte Arbeit, zum Beispiel als Hüttenwirt oder Sennerin. In schön gestalteten Zwischenkapiteln streut der Autor auch Wissenswertes über kulturelle Bräuche und landwirtschaftliche Techniken in den kargen Bergregionen ein.
Hoppe kommt seine Tätigkeit als Vortragsredner zu Gute: Er formuliert mitreißend und persönlich.
Clara Grau
Hoppe kommt seine Tätigkeit als Vortragsredner zu Gute: Er formuliert mitreißend und so persönlich, dass man sich nach wenigen Seiten mitten im alpinen Abenteuer wähnt. Ich konnte vom gemütlichen Sofa seine Begeisterung für azurblaue Bergseen und Wolkenspiel genauso teilen, wie eisige Finger und nasse Füße nach einem Schlechtwettertag.
Und einige seiner Begegnungen haben mich bei anderen Touren ebenso überrascht wie er: Etwa, wenn man auf der wirklich recht abgelegenen Sudentendeutschen Hütte in der Granantspitzgruppe in Osttirol bei einem aus Nepal stammenden Hüttenwirts-Paar mit einen Mix aus asiatischer und österreichischer Gastfreundschaft verwöhnt wird. Die Meditationsgesänge auf der Hüttenterrasse die ich vor, und die nepalesischen Teigtaschen, die ich nach einer 3000er-Besteigung dort gegessen habe, werde ich bestimmt nie vergessen. Leider haben Kami und seine Frau die Hütte mittlerweile verlassen.
Tipps zum Nachwandern
Wer nach der kurzweiligen Lektüre Lust auf diese Tour bekommen hat, kann sie übrigens gut nachwandern: Der Autor hat alle seine Etappen ordentlich beschrieben. Es gibt viele Information zu den Schwierigkeitsgraden der jeweiligen Wege, zu Unterkünften und möglichen Gipfelzielen. Höhenprofile und Übersichtskarten runden die grafisch schön gestalteten Service-Seiten ab. Und: Man muss ja nicht gleich fünf Wochen am Stück unterwegs sein. Viele Etappen eigenen sich dank guter Bahnverbindungen im Tal auch als kürzere Unternehmung.
Wichtig zu wissen:
Steffen Hoppe, Südwärts. Über die Alpen vom Königssee bis zum Gardasee. Bruckmann Verlag, 192 Seiten, 39,99 Euro, erschienen im Oktober 2020, ISBN-13: 978-3-7343-0872-7